Sitzstück No.6: Der Polyäthylen-Ploof

Der Allrounder Philippe Starck hat seine atemberaubende Architektur und sein alltagstaugliches Design auf der ganzen Welt verstreut.

Er entwirft Zitronenpressen, Motorräder, Lampen und Waschbecken. Allem, was nicht schnell genug auf die Bäume kommt, gibt der französische Architekt und Designer Philippe Starck seine ganz spezielle Form. Und das tut er mit enormem Erfolg.

Fast jeder hat einen Philippe Starck zu Hause. In der Regel wird ein "Starck" sehr bewusst gekauft, doch oft steht er in einem Badezimmer- oder Küchenschrank, ohne als solcher erkannt zu werden. Denn die Objekte des Franzosen haben keine Signatur. Weder auf den von ihm gestalteten Babyflaschen noch den Zahnbürsten ist sein Name eingraviert.Nichts also für Lable-Fetischisten, so könnte man meinen. Im Vergleich zu den handelsüblichen No-Name-Objekten fallen sie aber dann doch durch ihren starckschen Look auf. Understatement also für das Kennerauge? Auch nicht. Vielmehr begegnet man hier einer sehr erfreulichen Definition von gutem Design, das den Alltag durchdringen und erfreuen soll.

Das Sitzstück No. 6, der "Ploof" aus dem Jahre 2000, gehört zu einer wahren Flut von Gebrauchsgegenständen, mit denen Philippe Starck seinen demokratischen Designgedanken in die vier Wände bringen möchte.

Design gehört nicht auf den Sockel. Es ist für alle da!


Aber Monsieur Starck, haben Sie sich denn mal gefragt, ob wir in unserem bescheidenen Heim kleine, rote Ufos ihre Beinchen ausfahren und auf unserem Flokati landen lassen möchten? Zugegeben, der Name "Ploof" hört sich nach etwas Weichem, Fluffigen an. Doch kann Polyäthylen fluffig und zugleich stabil sein? "Rotation Moulding" – Rotationsgießen, heißt das Verfahren, mit dem das Sitzstück No. 6 hergestellt wird. Ganz so, wie eine Spüliflasche oder ein nahtloses Kinderspielzeug, wird der Sessel aus flüssigem Plastik gegossen.Das große Loch in der Sitzfläche sowohl des Sessels "Ploof", als auch des kleinen Zweisitzers irritiert zunächst.

Doch bei näherer Betrachtung kann es durchaus Vorteile haben. Wer im Hochsommer schon einmal auf den mit Vinyl oder Kunstleder bezogenen Sitzen eines Youngtimers gesessen hat, wird dem Gedankengang problemlos folgen können. Doch das Loch sorgt nicht nur für frische Luft am Gesäß, sondern fördert auch ganz nebenbei den Ordnungssinn. Denn auf dem "Ploof" bleibt nichts liegen. Weder die gerade gelesene Zeitung, noch das achtlos hin geworfene Sockenknäul haben eine Chance. Sie fallen einfach durch. So bleibt der "Ploof", ganz ohne die störenden Hinterlassenschaften des Besitzers, immer nur der "Ploof" selbst.

Eine Retrospektive macht lebend mehr Spass, als tot.


Außerdem ist er für ein sogenanntes Designer-Stück wirklich günstig.  Je nach Geschmack und Laune ist der kleine Sessel auch in weiß, grün, orange oder grau schon für rund 300 Euro zu haben. Das größere Modell kostet rund 500 Euro.Diese Preise sind erstaunlich. Nicht zuletzt, weil das Sitzstück von hochspezialisierten Experten in Italien produziert wird. Die Firma Kartell widmet sich seit 1949 der Verarbeitung von Kunststoff und ist seitdem mehrfach für ihre Materialinnovationen ausgezeichnet worden. Ihr Gründer Giulio Castelli war Chemiker und Schüler des Nobelpreisträgers Giulio Natta.

Kartell produziert noch unzählige weitere Produkte von Philippe Starck, wie den Stuhl "La Marie". Er ist der erste, der in einer einzigen Form aus Fibercarbonat hergestellt wurde. In einem Interview mit der "Zeit" bringt Starck seine Idee von Design auf den Punkt: "La Marie ist ein absolut außergewöhnliches Produkt. Durchsichtig, auf ein Minimum an Form reduziert, besteht es aus Fibercarbonat. Das heißt, es ist quasi unzerstörbar, man kann es nicht verkratzen, es ist komfortabel, man kann ein halbes Dutzend aufeinander stapeln, und es kostet so gut wie nichts. Wie könnte ich so ein Produkt in kleinen Serien herstellen? Das wäre unmöglich."

Philippe Starck ist fern von einem elitären und musealen Design. Im Gegenteil, seine Entwürfe in Museen auszustellen, ist ihm zu wider. Sein Museum ist das Bad, die Küche und das Wohnzimmer zuhause. Das Sitzstück No. 6 steht vielleicht etwas wackelig auf seinen Beinen, doch funktionell ist es allemal. Wer kleine Ufos mag, der liegt also mit dem "Ploof" goldrichtig. Merci, Monsieur Starck!

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