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Standpunkte, Stimmen und Kommentare
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Gerade im April ist unser Sitzstück No.12 im Rahmen des Salone del Mobile 2007 in Mailand vorgestellt worden. Knackig frisch ist also unser neuer Sessel, der mehr als nur eine gute Straßenlage zu bieten hat.
„Not for highway use“ heißt es auf dem luftgefüllten Reifen, der für eine angenehme Federung sorgt. Doch der „Bookinist“ ist nicht einer von diesen üppig gepolsterten Sesseln, in die man sich sorglos und mit Schwung hinein wirft. Seine eckige, kantige und spröde Natur, lädt zu einem sehr ruhigen und bedachten Platz nehmen ein.
Zur genauen Beschreibung des Sitzstückes No.12 müssen wir ein wenig ausholen. Denn der Bookinist entstammt einer "Küche", in der nicht um den heißen Brei geredet wird. Klar, funktionell und pointiert sind die Stücke, die im Hause des erfolgreichen Querkopfes Nils Holger Moormann erdacht werden.
Der Protagonist des "Neuen Deutschen Designs"
Das Prinzip "form follows function" hat er wohl in großen Lettern über die Tür seines Firmensitzes im idyllischen Chiemgau genagelt, denn seine Produkte sind geizig. Sie verweigern jeden Schnörkel, ebenso wie überflüssiges Beiwerk, das nicht zur Optimierung des Möbels selbst und seiner Aufgabe beiträgt. Dennoch können Moormanns "Objekte" mehr als einfach nur ein Tisch oder ein Regal sein.
Der Tisch "Kant" von 2002 z.B. ist so geformt, dass er auch aufbewahren kann. "Lese + Lebe" von 2004 ist Sitz-, Schreib- und Aufbewahrungsmöbel in einem. Einfach, haltbar und multifunktional: Diese Attribute konnten wir bisher nur dem Schweizer Offiziersmesser zuordnen, das seit der ersten Auslieferung 1891 in seiner Form vollendet und in seinen Funktionen perfekt ist.
Viele Funktionen bringen viel Komfort?
Die Multifunktionalität kann im Falle des berühmten Messers ein Segen aber in anderen wiederum ein furchtbarer Fluch sein. Die Gedanken schweifen sofort zornesrot zu den Kompakt-Musikanlagen und den Fax-Scanner-Kopierer-Klötzen. Denn gibt ein Element den Geist auf – schwups – sind wir alle anderen auch gleich los. Für den Fall, dass sich eine Reparatur überhaupt lohnt, müssen sie schließlich, untrennbar verbunden, alle gemeinsam in die Werkstatt.
Der moderne Mensch kann von Stund an seine Musik nicht mehr hören und ist im schlimmsten Falle seiner kompletten Kommunikationsmittel-Armada beraubt. Wohl dem, der sein fröhliches Sammelsurium von Einzelgeräten stapelt. Über die ästhetischen Qualitäten dieser Anhäufung lässt sich natürlich streiten, aber zumindest ist jedes Teil austauschbar, ohne dass sein Versagen die täglichen Bedürfnisse bis an die Wurzel beschneidet.
Das Konzept fordert den rechten Winkel
Auch unser Sitzstück No.12 der Bookinist darf sich multifunktional nennen. Natürlich kann er weder schwimmen, noch fliegen, noch Staub saugen aber er bietet mehr, als nur die Möglichkeit zu Sitzen. Als mobile Lesestation, fahrende Bildungsecke oder bibliophile Schubkarre könnten wir ihn bezeichnen. Betrachten wir den zunächst "ungemütlich" anmutenden Sessel genauer, so wird schnell sonnenklar, dass sinnliche Rundungen in seinem Konzept nicht vorgesehen sind. Denn die Rückenlehne dient sich ebenso als Regal an, wie die Fronten der Armlehnen. Seitlich unterhalb der Armlehnen gibt es weitere Fächer.
So finden rund 80 Taschenbücher in dem Körper des Bookinist ihren Platz. Wer schreit da schon nach gefälligen Kurven, wenn der Platz im Billy gerade knapp geworden ist oder der (Be)Sitzende seine aktuelle Lektüre gerne in unmittelbarer Nähe weiß. Zumal ein Eingriff in der Rückenlehne uns erlaubt, den Sessel über sein Vorderrad an jeden beliebigen Ort zu schieben. Wie schwer mag er dann wohl sein, bis zum Rand gefüllt mit so viel geistigem Futter?
Lupenrein – Die Leseratte hat Bedürfnisse
Unter der Klappe in der linken Armlehne verbergen sich kleine Schätze, die in einem bücherfreundlichen Haushalt nicht fehlen dürfen. Drei hölzerne Lesezeichen, ein Radiergummi und ein Anspitzer werden zum Preis von 1988,- Euro (natürlich für den ganzen Sessel) mitgeliefert. Den Moleskine, gerne auch als die Mutter aller Notizbücher bezeichnet, gibt Moormann ebenfalls dazu. Passt auch!
Die Lupe ist offenbar einer der vielen kleinen Gags, die sich der gebürtige Schwabe erlaubt. Genau hinsehen können wir immer noch ohne schwere Geschütze! Dass das mal klar ist. Aber wo bitte sind die Bleistifte? Was sollen wir denn mit dem Spitzer spitzen? Muss eben dieser Spitzer tatenlos herumliegen während ein billiger Kugelschreiber nicht nur dessen Grab, sondern auch das des Radiergummies schaufelt?
Die Leuchte an der Strippe
Ebenso wie das oben erwähnte Möbel "Lese + Lebe" bringt das Sitzstück No.12 sein eigenes Licht mit. Genau hier drängt sich uns allerdings die nächste bohrende Frage auf. Ist die Lampe des Bookinist an ein Kabel gebunden oder befeuern sie Akkus? Das Mobilitätsprinzip diese Sessels müsste die Unabhängigkeit von Steckdosen voraussetzen, da die Wahl des Lieblingsplatzes generell nicht aufgrund der vorhandenen Infrastruktur getroffen wird.
Unter dem großen Nussbaumes ganz hinten im Garten? Das wäre ein wunderschöner Platz für den Bookinist. Doch leider muss die Kabeltrommel her. Die bietet vielleicht maximal 50 Meter Freiheit und ist bestimmt kein schöner Anblick. Vielleicht bleibt unsere bibliophile Schubkarre doch besser auf der Terrasse oder im Haus. Dann kann uns die Strippe auch egal sein, denn der Rest des "Multifunktions-Sessels" besticht durch klare Schönheit und viel Humor. Optimiert würde er allein durch eine kleine Zugabe, die bestimmt noch in die Ablage passt. Sollte der Bookinist mal einen Platten haben, wäre ein Päckchen Flickzeug sehr von Nutzen.