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Standpunkte, Stimmen und Kommentare
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Die Oldtimer-Branche boomt nach wie vor. Historische Rennwagen, Staatskarossen und Youngtimer ziehen auch in diesem Jahr wieder ihre Liebhaber zu Tausenden nach Essen.
Eine der größten Oldtimer-Messen der Welt feiert ihren zwanzigsten Geburtstag. Guter Grund und noch besserer Anlass, einen genaueren Blick auf die Bewahrer des automobilen Kulturgutes zu werfen. In 18 Hallen wartet die Techno-Classica bis Sonntag mit den wertvollsten und seltensten Karossen, aber auch mit den Oldtimern der Zukunft auf – ein Fest für Ästheten, Sammler, Bastler und Racer.
Retro ist ein alter Hut
Man könnte fast glauben, dass früher alle Autos schöner waren. Im Einheitsbrei der aktuellen Gestaltungsformen finden sich nur wenige Individualisten wieder. Denn mit dem Kauf eines Neuwagens der Mittelklasse zahlen sie in vielen Fällen ihr Verschwinden in der Masse gleich mit.
Über den Retrotrend der Automobilbranche muss in diesem Zusammenhang wohl nicht mehr berichtet werden, denn die Neuauflagen vom Käfer, Fiat Cinquecento oder Ford Mustang sind mittlerweile auch schon ein selbstverständlicher Anblick im Straßenbild, schon lange keine Hingucker mehr. Als praktische Alternativen zu echten Klassikern, wartungsarm, sparsam und zuverlässig, sollen sie den Fahrer mit zumindest einem Hauch von Oldtimerflair umwehen, ihm aber die öligen Finger ersparen. Eingefleischte Oldtimer-Schrauber akzeptieren diese Retorten-Semmeln allerdings meist nur als "Winter-Hure", gegebenenfalls als Einkaufswagen oder einfach gar nicht.
Tradition ist nicht käuflich
Besonders tiefe Gräben liegen zwischen zwei Lagern, die sich nach dem Willen höchst aktiver Marketingexperten längst den Bruderkuss hätten geben sollen. Die meisten Owner und Driver des klassischen Minis wollen sich partout nicht als Werbevehikel für den aggressiv gehypten "New Mini" vereinnahmen lassen. Nicht etwa weil er ihnen nicht als Winterauto gefiele. Das wäre angesichts des recht gelungenen Konzeptes kleinlich. Der Grund für diese spröde Reserviertheit liegt offenbar woanders.
Immer wieder kommen Gerüchte auf, BMW setze auch innerhalb der über Jahrzehnte langsam und gesund gewachsenen Klassik-Szene vehement seine Markenrechte durch. Domains, Internetforen und Händler, die "Mini" in ihrem Namen tragen, so brodelt es hartnäckig hoch, würden systematisch angegangen. Wo es raucht, da ist auch ein Flämmchen, so sagt man wohl. Oder warum löschen lange am Markt etablierte und in der Szene fest verankerte Teilelieferanten plötzlich das Wort "mini" aus ihren Firmennamen? Warum lassen andere wiederum plötzlich und unerwartet ihre eingetragenen Wort-Bild-Marken löschen?
Kein Grund verschnupft zu sein? Wenn nicht, dann stößt den Liebhabern des kleinen Briten vielleicht nur die Tatsache auf, dass sie kein einziges BMW-Teil an ihren Wagen entdecken können. Zumindest der redaktionseigene Mini Special Baujahr 1980 besteht fast zu 100 % British Leyland-Teilen, obwohl BMW standhaft behauptet, dass er seit dem Rover-Debakel zu ihrer automobilen Tradition gehört. Nur leider haben die Bayern mit dem Kauf des Namens "Mini" nicht die Klassiker-Community als Zückerchen dazu geschenkt bekommen.
Porsche, Renault, Ferrari – 200 Kerzen für Kultblech
Angesichts der echten BMW-Tradition gönnt man dem Zwerg von der Insel in diesem Tagen allerdings etwas weniger Aufmerksamkeit. Denn in den Hallen der Techno-Classica wird kräftig auf den dreißigsten Geburtstag des legendären M1 angestoßen. Die Party könnte jedoch leicht untergehen, denn es gibt in diesem Jahr so viele runde Geburtstage zu feiern, dass der geneigte Gast ordentlich Puste mibringen muss.
In der Halle 3 stößt Porsche auf seinen Sechzigsten an. Hier kommt der Besucher an der Spitze des motorisierten Eisberges an. Das Siegerfahrzeug des 24-Stunden-Rennens von Le Mans 1971 ist einer der absoluten Höhepunkt. Der Porsche 917 Kurzheck mit Startnummer 22 setzte als Leichtbau-Prototyp mit einem speziellen Gitterrohrrahmen aus Magnesium Maßstäbe.
Als einer der schönsten Ferraris aller Zeiten gilt der 365 GTB/4 Daytona. Vom Daytona-Coupé rollten von 1968 bis 1978 nur 1383 Stück aus den Hallen der italienischen Manufaktur. Deshalb wird sein Geburtstag wohl von deutlich weniger glücklichen Besitzern gefeiert, als der der niedlichen "Ente". Fast 4 Millionen 2CV's produzierte Citroën von 1948 bis 1990, doch dürfte der Rost einen großen Teil des riesigen Schwarms in die ewigen Jagdgründe geschickt haben.
Vernunft gibt es woanders
Damals noch günstiges Alltags- und Familienauto, nun eine echte Rarität. Geräumige und zuverlässige Gefährte, die den sicheren Transport von A nach B garantieren, sind heute wie gestern nötig und sinnvoll. Die wahre und echte Leidenschaft aber steht in einer Garage oder einer versteckten Halle und wartet auf intensive Zuwendung. Denn die wenigsten Oldtimer, ob nun wertvolle Vorkriegskarossen oder Sportboliden aus den 60er Jahren, sind im heutigen Sinne pflegeleicht.
Sie rosten und ölen, verweigern bei Kälte den Dienst oder streiken einfach nur, weil ein winziges Teilchen nach fünfzig Jahren endgültig den Geist aufgegeben hat. Guter Rat und passender Ersatz sind dann oft teuer. Das edle Blech können im Ernstfall meist nur noch die eingefleischten Markenexperten wieder auf die Piste bringen. Wohl dem, der mit den Krankheiten und Zicken seines geliebten Klassikers gewachsen ist und sich selbst zu helfen weiß.
Rat, Beistand und zuverlässigen Teilenachschub finden viele Besitzer von Oldtimern meist mit Hilfe von gleichgesinnten Enthusiasten in Klubs und Interessengemeinschaften. In weiter Ferne von seltenen Bugattis oder Hispano-Suizas bilden diese Gruppen eine Basis, die wesentlich zur Erhaltung von automobilem Kulturgut beiträgt. Deshalb sind die Old- und Youngtimer-Klubs der früher in Masse gefertigten Autos schon immer stark auf der Techno Classica vertreten gewesen. Nicht zuletzt weil der Messeveranstalter S.I.H.A. den von den Herstellern unabhängigen Klubs die Standgebühren erlässt. "Die deutschen Oldtimer-Klubs haben die Klassik-Szene hierzulande begründet, sie salonfähig gemacht und ihr zu ihrer heutigen Größe verholfen", sagt S.I.H.A.-Geschäftsführer Anton Leon Franssen, "deshalb fördern und unterstützen wir sie bei der Techno Classica."
Selten war schon immer teuer
Egal wie selten oder alltäglich der Klassiker nun sein mag, das Zubehör
ist unerlässlich und oft lebenswichtig sowohl für die röhrende Maschine
als auch für den begeisterten Fahrer. In den Hallen 5, 8 und 9 kann er
sich in allem verlieren, was sein Schrauberherz begehrt. Weber- und
Delorto-Vergaser, in beklagenswertem oder auch überholtem Zustand,
lassen den in Revision befindlichen Motor schon beim Kauf in Gedanken
aufheulen. Das Angebot reicht vom einfachen Schraubenschlüssel über
Karbidlampen für Uralt-Klassiker bis zum Kotflügel für den Morris Minor.
Den Reiz des stundenlangen Suchens nach seltenen Teilen wie auf den klassischen Flohmärkten gibt es hier zwar nicht, dafür ermöglicht die Messe einen recht effizienten Einkauf. Doch Schnäppchen sind hier selten. Besonders die britischen Anbieter der passenden Literatur zum Jaguar E-Type oder TVR Grantura langen richtig zu. Hier können allerdings fundierte Fremdsprachenkenntnisse ebenso zum Erfolg führen wie eine geschickte Verhandlungstaktik.
Trotz der heftigen Preise wird wohl – wie jedes Jahr – kaum ein Besucher die Messe verlassen, ohne zumindest ein winziges Teilchen, ein Plakat oder einen Aufkleber gekauft zu haben, sollte er zwischen den 2500 angebotenen Autos nicht das Passende gefunden haben.