Medien-Kritik: Die Welt und ihr Clickbait mit Lionel Messi

Das Chapecoense-Unglück ist tragisch. Das Gleiche gilt aber auch für den Flugzeugabsturz in der Nähe von Hawalian, der sich einige Tage später ereignete. Trotzdem ist der Absturz in Pakistan sicher bald vergessen sein. Anders als der Flugunfall in der Nähe von Medellín. Denn an diesen Crash werden sich – zumindest Sportfreunde – vermutlich auch noch in Jahrzehnten erinnern.

Schließlich ist bei dem Unfall in Kolumbien fast die gesamte Mannschaft des brasilianischen Fußball-Erstligisten Associação Chapecoense de Futebol gestorben. Während die Allgemeinheit den Unfall in Pakistan eher beiläufig zur Kenntnis nahm, erzeugte das Chapecoense-Unglück überall auf der Welt Beileidsbekunden. In der UEFA-Champions League liefen die Mannschaften beispielsweise in dieser Woche mit einem Trauerflor auf.

So weit, so gut!

Die einstmals seriöse und angesehene Tageszeitung Die Welt nutzt das Unglück auf ihren Webseiten allerdings für eine besonders perfide Art des Clickbaitings. Denn in ihrer Online-Welt ködert das Medium aus dem Springer-Verlag mit folgendem Anlauftext Leser:

Messi hatte großes Glück: Bislang war bekannt, dass er den Todesflieger nur um wenige Tage verpasste. Jetzt scheint klar, dass ihn sogar nur wenige Minuten von einer Katastrophe trennten.

Was erwartet Ihr bei dieser Schlagzeile?

Wohl niemand hätte folgende Geschichte erwartet:

Auch Lionel Messi ist schon mal mit dem beim Chapecoense-Unglück abgestürzten Flugzeug geflogen. Der Fußballverband Argentiniens hat den Flieger nämlich kürzlich anlässlich eines Auswärtsspiels der argentinischen Nationalmannschaft gechartet. Bereits bei diesem Flug haben sich die Verantwortlichen der bolivianischen Fluggesellschaft Línea Aérea Mérida Internacional de Aviación (LaMia) nicht an internationale Standards gehalten.

Clickbait auf welt.de - Screenshot vom 6.12.2016

Clickbait auf welt.de – Screenshot vom 6.12.2016

Denn in der internationalen Verkehrsluftfahrt ist es üblich, mindestens für 30 Minuten mehr Treibstoff an Bord zu haben, als für den anstehenden Flug benötigt wird. Beim Flug der argentinischen Nationalmannschaft war bei der geglückten Landung nur noch Sprit für eine Restflugzeit von 18 Minuten an Bord. Für die Welt Anlass für einen Artikel. Mit ziemlich viel gutem Willen könnte man den Artikel der Zeitung sicherlich als journalistische Aufklärung durchgehen lassen.

Doch das ist keine Aufklärung!

Natürlich ist der Text nicht falsch. Trotzdem ist der Nachrichtengehalt der Meldung dürftig. Der Bezug zu Lionel Messi ist überflüssig. Die Botschaft des Artikels ist doch: „LiMa ist ein Wiederholungstäter“. Das ist der Kern dieses Artikels. Doch mit dieser Headline hätte natürlich keine Sau – mich eingeschlossen – den Artikel angeklickt. Deshalb treiben die Redakteure hier den kleinen Fußballstar durchs virtuelle Dorf.

In meinen Augen ist das ein widerliches Clickbait!

Helmut Markwort warb zur Einführung des Focus mit „Fakten, Fakten, Fakten und an die Leser denken“. Große für Teile der Medien wurde Markwort mit dieser Werbeaussage zum Star. Heute dominiert offenbar „Floskeln, Floskeln, Floskeln und an Klicks denken“. Das sorgt für Verdruss. Kein Wunder, dass Sprachwissenschaftler und Soziologen inzwischen von postfaktischen Zeiten sprechen.

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