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Standpunkte, Stimmen und Kommentare
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Alle Jahre wieder bibbert die kochende Zunft. Gibt es vielleicht einen Stern mehr, bleibt es wie im letzten Jahr oder ist gar einer futsch? Die Tester haben entschieden, die Sterne sind vergeben. Im Guide Michelin 2007 werden Berthold Bühler und Henri Bach erneut für ihre herausragende Küche geehrte. Die Résidence in Essen-Kettwig ist und bleibt das Haus mit den meisten Sternen im Ruhrgebiet.
„Wissen Sie, was das ist?“ Berthold Bühler zeigt auf ein großes, blank poliertes Gerät aus Silber. Auf einer Art Glocke sitzt ein großes Rad, das man eher an dem Schott eines U-Bootes vermuten würde, als in einem Restaurant. Aus der untersten Schublade meines passiven Wissens schießt die Antwort hervor: „Ja, das ist eine Entenpresse!“ Erstaunte Blicke treffen mich. „Woher wissen Sie das? "99,9 % der Leute, die ich frage, haben keine Ahnung, welche Funktion
das Gerät hat.“ Ich nage nachdenklich an einer der himmlischen kleinen
Pralinen, die mir in Begleitung eines Kaffees in einem zarten Schälchen
kredenzt wurden und muss dann gestehen, dass ich nicht weiß, woher ich
es weiß.
Kein Eintritt für dicke Zigarren! Die Residence ist rauchfrei.
Die Zigarette zum Kaffee muss ich in der Tasche lassen, denn die Residence ist rauchfrei. „Mit dem Rauchverbot haben wir einige Gäste verloren,“ so Bühler, „doch wir konnten bestimmt 150 neue dazu gewinnen.“ Das Restaurant bietet Platz für maximal 50 Gäste, die von einem etwa zwölfköpfigen Team betreut werden. „Leider hat sich das Verhalten der Gäste in der letzten Zeit etwas verändert. Manche Leute reservieren für einen Abend in vier verschiedenen Sterne-Restaurants gleichzeitig, um dann Freunden oder Geschäftspartnern die Wahl zu lassen. Abgesagt wird nicht. In dreien der vier ausgewählten Restaurants bleibt ein Tisch leer. Hier fehlt das Einfühlungsvermögen und das Verständnis für unsere Arbeit. Hochwertige, sehr teure Produkte wie Hummer, Rehrücken oder Jabobsmuscheln werden eingekauft und vorbereitet. Bleibt ein Teil der Gäste aus, haben wir natürlich Einbußen.“
Sautierte Jakobsmuscheln mit Zitrusfrüchten und Kapern in Kashmircurrysoße.
Delice von der Gänsestopfleber mit Holsteiner Cox in Lakritz aromatisiert. Die Menükarte zu lesen, braucht etwas Zeit. Sieben Gänge sind Standard und die haben natürlich ihren Preis. 118 Euro pro Person sind ein bißchen mehr, als man üblicherweise beim Italiener um die Ecke ausgibt. Die Getränke kommen noch dazu. Ein Château Petrus von 1982 ist im Augenblick die teuerste Flasche, die in der Résidence zu haben ist. Für den Genuss dieses Weines kämen dann noch einmal 2950,- Euro auf die Rechnung. Zum Glück muss es ja nicht unbedingt der 82er Petrus sein. Alfred Voigt, der Sommelier des Hauses, bringt von seinen Reisen immer wieder leckere Neuentdeckungen mit, deren Preise nicht gleich einen Atemstillstand verursachen.
Henri Bach, der Partner von Berthold Bühler und Chef de Cuisine in der Residence, führt mich ins Allerheiligste. Hinter einem schmalen Gang öffnet sich eine für mich überraschend kleine Küche, in der bereits jetzt zur Mittagszeit reges Treiben herrscht. Je nach Saison, Preis und Qualität der Zutaten entscheidet der Küchenchef beim morgendlichen Einkauf oft spontan, wie das Menü für den Abend aussehen wird. Heute werden winzige Kumquats von geschickten Händen in hauchfeine Scheiben geschnitten. In einer großen Pfanne brutzeln Wachteln nebst Zwiebeln und Karotten, die immer wieder mit Rotwein abgelöscht werden.
Folge dem Stern! Der "Guide" als Orientierungshilfe.
2 Sterne! Ende November wieder bestätigt vom Guide Michelin 2007. Die Wachteln kümmert das nicht mehr. Die Köche aber umso mehr, denn der Guide Michelin vergibt in Deutschland seit dem Jahr 1926 Sterne für herausragende Qualität. Anonym werden von rund 80 Kritikern pro Jahr über 3 800 Restaurants und 5 000 Hotels getestet und bewertet, so dass schon ein Stern im Guide Michelin eine sehr hohe Auszeichnung bedeutet. Berthold Bühler und Henri Bach haben gleich zwei davon. In ganz Deutschland sind nur sechs Restaurants mit 3 Sternen und gerade mal fünfzehn mit 2 Sternen ausgezeichnet worden. Deren Bedeutung wird in der Feinschmecker-Bibel eher lapidar formuliert: Eine hervorragende Küche -verdient einen Umweg.
„Natürlich sind zwei Sterne gut für das Geschäft.“ Henri Bach ist bescheiden. „Wichtig ist es aber, dass die Gäste unsere Art zu Kochen lieben und sich bei uns wohl fühlen. Das Ranking der Restaurants in Deutschland bietet für Menschen, die gerne gut essen, natürlich eine Orientierungshilfe,jedoch ist der Besuch eines Restaurants immer eine ganz persönliche und subjektive Erfahrung.“
Ich verlasse die Residence nur ungern. Berthold Bühler und Henri Bach entsprechen so gar nicht dem Klischee der überkandidelten Starköche. Freundlich, locker und souverän haben sie mich mit ihrem Spaß am guten Essen und seiner kunstvollen Zubereitung angesteckt. In der Zwischenzeit hat sich mit Hilfe von Henri Bach auch mein Erinnerungsvermögen zurückgemeldet. Die Entenpresse – woher kannte ich die Funktion dieses silbernen Monstrums? Aus einem Film, der für Köche offenbar Pflichtprogramm ist: In der Krimikomödie „Die Schlemmer-Orgie“ (Deutschland/USA) von 1978 spielt die Entenpresse eine wirklich erdrückende Rolle.